Hinterfragen anstatt eure Meinung zu sagen

Ich habe in Gesprächen früher oft das Bedürfnis gehabt, meine Meinung zu sagen. Das gilt jetzt nicht unbedingt in Gesprächen mit Frauen, aber genauso wie mit anderen Männern. Ich kann euch nicht sagen, wo dieses Bedürfnis herkommt. Ich denke, das ist etwas sehr Menschliches, dass wir uns mitteilen wollen, was unsere Meinung zu den Dingen ist. Ich kann dir aber aus der Erfahrung sagen, und darum soll es heute gehen, halte dich da zurück und ich möchte dir auch einen guten Grund mitgeben.
Fangen wir mit einem Beispiel an: Eine Frau sagt, ja, Sport finde ich schlecht. Denken wir mal an eine extreme Situation. Jetzt könntet ihr sagen, ja, also Sport ist doch gesund und Studien haben gezeigt, du lebst länger, du kannst dich besser konzentrieren, bla bla bla. Das wisst ihr doch alles schon. Warum habt ihr das Bedürfnis, euch mitzuteilen? In diesem Augenblick lernt ihr nämlich nichts Neues. Weder wie die Frau denkt, in diesem speziellen Fall diese Frau, noch über andere Meinungen allgemein. Ihr wisst ja schon, dass ihr eure Meinung gut findet und ihr kennt eure Meinung. Ihr habt in diesem Fall vielleicht Studien gelesen, ihr habt es am eigenen Leib erlebt, dass Sport gut ist. Diese Meinung mitzuteilen und den anderen dadurch nicht weiterreden zu lassen, bringt euch keinerlei neue Informationen. Und mit dieser Information, wenn wir jetzt im Gespräch mit einer Frau sind, kann sie euch so nützlich sein, also um sie besser kennenzulernen, wie sie denkt.
Was lange in mir gebraucht hat, ist dieses Bedürfnis zurückzuhalten, um eine Meinung zu sagen und den anderen einfach mal weiter zu hinterfragen. Und warum das gut ist, besonders im Gespräch mit Frauen, ist, am Anfang wollt ihr eine wohlgefällige, eine sympathische Stimmung aufbauen. Ihr wollt, dass der andere Mensch euch nett findet. Und ihr wollt es ja auf keinen Fall, dass es am Anfang in eine Diskussion gerät. Es ist völlig okay, eure Meinung zu sagen. Das solltet ihr auch. Wenn ihr die Frau länger kennt, mit ihr zusammen seid, ist es auch Zeit für eine Diskussion. Ich sage, also wenn ihr wirklich komplett anderer Meinung seid, dann könnt ihr gerne auch Themen ausdiskutieren. Sowas ist aber meiner Meinung nach nicht gut fürs Kennenlernen. Ihr sprecht sie gerade irgendwo an, ihr habt ein Gespräch von 5 Minuten und tauscht Nummern aus. Ich stelle mir vor, sie geht nach Hause und sagt, dieser Typ mit seinen Sportgeschichten ging mir echt auf den Nerv. Wenn sie keinen Sport macht, wird sie das nicht toll finden. Es bringt dann nichts, wenn ihr jemandem sagt, Studien zeigen und ich habe die Erfahrung gemacht und außerdem bla bla bla. Das bringt Euch nirgendwohin.
„Ich habe diesen Typen kennengelernt und ich habe mich von ihm verstanden gefühlt.“ Und immer das Gefühl zu geben, verstanden zu werden, heißt ja nicht, dass ihr dergleichen Meinung sein müsst. Wenn jemand sagt, ich betrinke mich gerne am Wochenende, dann seid ihr vielleicht überhaupt nicht der Meinung, weil ihr keinen Alkohol trinkt, dass das gut ist. Es hilft auch hier nicht, eure Meinung zu sagen, ihr kennt ja eure Meinung. Viel besser ist doch, ah ja, wo gehst du da gerne hin und was trinkst du am liebsten und was findest du daran gut, dich zu betrinken und so kommt ihr vielleicht sogar auf einen gemeinsamen Nenner, weil, warum betrinkt sie sich vielleicht? Weil sie mag das Gefühl, sich leicht und locker zu fühlen, von Hemmungen befreit zu sein, vielleicht traut sie sich sonst nicht zu tanzen, und du tanzt auch gerne, du brauchst nur vielleicht keinen Alkohol. Vielleicht kommt ihr, wenn du ihr zuhörst, statt deine Meinung zu sagen, vielleicht kommt ihr da auf einen gemeinsamen Nenner, was ihr beide mögt.
Was noch hinzukommt, finde ich, ihr möchtet ja mehr über die andere Seite erfahren. Was ich persönlich immer für eine Erfahrung gemacht habe, wenn ich jemandem erzählte, was ich gerne mag, und der hat gesagt, ach das finde ich schlecht, dann habe ich demjenigen einfach nicht mehr davon erzählt, weil ich wusste, da hat er ja keine Lust drauf, da hat er kein Interesse, warum soll ich weiter darüber reden? Ein Teil von mir hat sich dem Augenblick von dieser Person immer, wenn ich sie wiedergetroffen habe, verschlossen, weil ich wusste, dass mag er nicht, mit dem Thema spreche ich gar nicht mehr über ihn, für mich waren das aber vielleicht gerade sehr relevante Themen, die mich beschäftigt haben. Ein großer Punkt, warum ihr die Person interessant und sympathisch findet, ist, weil sie sich auch verstanden fühlt von euch.
Verwechselt das jetzt nicht mit einer Art Arschkriecherei, es geht nicht darum zu sagen, ich esse gerne Nudeln, sagt sie, und ihr: „Ja ja, ich esse auch gerne Nudeln.“ Das habe ich nicht gesagt. Sie sagt, „Ich esse gerne Nudeln.“ Ihr mögt Nudeln überhaupt nicht, dann habt ihr die Wahl, proaktiv darüber nachzudenken, zu sagen: „Boah, Nudeln haben ja so viele Kalorien, und ich achte jetzt so auf meine Gesundheit und ich esse voll gern Salat.“ Was wird das dazu führen? Ihr werdet nicht mehr über den Menschen erfahren. Ihr könnt aber auch anderer Meinung sein, die ich gerade gesagt habe, müsst ihr nicht unbedingt sagen. Sie sagt: „Boah, ich mag gerne Nudeln“, ihr fragt: „Was isst du denn gerne für Nudeln?“ „Aha, und was denkst du, warum du Nudeln so gerne magst?“ „Ah, ok, verstehe. Du magst, wie es schmeckt, natürlich, aber du magst auch, dass du dich nicht so voll fühlst danach, wie bei Pizza.“ „Ah, ok, ja verstehe. Also, was ich am liebsten esse, um mich nicht so voll zu fühlen…“ Das ist eine viel angenehmere Art, mit jemandem zu sprechen, und der fühlt sich auch mehr verstanden, als wenn ihr ihm ins Wort fallt.
Und wie gesagt, dann lernt ihr auch über die andere Person nichts. Achtet einfach mal darauf, wie Menschen mit euch sprechen und wen ihr sympathischer findet und wen nicht. Mir persönlich fällt es schwer, mit Menschen umzugehen, die mir immer sofort im nächsten Satz ihre Meinung sagen müssen, egal zu welchem Thema. Und dann denke ich mir, schön, du hast diese Meinung, anscheinend magst du das Thema nicht, und ich spreche nicht mehr mit dir darüber. Und wenn die Person das bei drei bis vier Themen macht, mir immer sofort ins Wort fällt und mir ihre Meinung sagen muss, dann habe ich auch keine Lust mehr, mit der Person zu reden.
Also, achtet einfach mal darauf, ob ihr immer das Bedürfnis verspürt, zu jedem Thema direkt eure Meinung zu sagen. Achtet mal darauf, ob ihr vielleicht eine komplett andere Meinung dazu habt, ob das dann vielleicht dazu führen könnte, dass euer Gesprächspartner sich verschließt, wenn ihr gleich sagt, und probiert doch einfach mal die Alternative aus. Da könnt ihr auch viel mehr über den anderen lernen, dass ihr einfach akzeptiert, ihr müsst nicht derselben Meinung sein, einfach akzeptieren, dass der andere eine andere Meinung hat und dass ihr die hinterfragt. Ihr werdet sehen, der andere wird sich mehr öffnen, wird sich mehr verstanden fühlen, und ihr werdet ein harmonischeres Gespräch führen.
Beim Ansprechen geht es natürlich klassisch darum, nicht immer einer Meinung zu sein. Da geht es aber eher um spielerische Dinge, da soll es ganz klar sein, dass ihr das nicht 100% ernst meint. Ja also, man sagt ja immer, man soll ein bisschen necken, das ist vollkommen richtig. Das heißt, wenn sie sagt: „Oh, ich mag Nudeln“, und ihr fragt: „Ja, was denkst du denn, warum magst du das?“ „Ja, es schmeckt mir einfach ganz gut. Ich mag zwar Pizza, aber nach Pizza fühle ich mich immer so voll.“ Dann könnt ihr natürlich sagen: „Ja, ich kann mir gut vorstellen, wenn du eine Pizza gegessen hast, dann rollst du nur noch nach Hause, siehst aus wie eine Kugel“, als Spaß, mit so einem leichten Grinsen und der Art, wie ich es gerade gesagt habe. Die Frau wird euch das nicht ernst nehmen und nicht denken, ihr haltet sie für dick, und dann werdet ihr beide lachen. Das ist vollkommen okay.
Und dann könntest du wieder ernst zurückgeben und sagen: „Nein, also jetzt mal wirklich, was sind denn deine Lieblingsnudeln?“ Und wieder ein bisschen Ernst zurück. Ihr dürft sie gerne immer ein wenig necken, neggen, vollkommen in Ordnung. Es ging mir um die ernsten Gespräche, da wollt ihr weder der Arschkriecher sein und immer sagen: „Ja ja, das mag ich auch“, ihr wollt aber auch nicht immer der anderen Meinung sein: „Nein, das mag ich überhaupt nicht.“ Nehmt doch dieses neue Werkzeug einfach mal mit, um neutral dem zu begegnen, was sie sagt, und das weiter zu hinterfragen, und euer Bedürfnis, eure Meinung dazu zu sagen, einfach mal zurückzuhalten.